Montag, 28. Mai 2012

Berliner Bankenskandal

Unter dem Berliner Bankenskandal versteht man die Vorgänge um die landeseigene Bankgesellschaft Berlin, deren wirtschaftlicher Zusammenbruch das Land Berlin finanziell in Milliardenhöhe bis heute belastet. Der Bankenskandal hatte 2001 den Sturz des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen zur Folge.

Obwohl sich die Probleme bereits im Jahr 2000 häuften, verbreiteten offizielle Stellen noch Optimismus mit unter anderem von PricewaterhouseCoopers positiv testierten Geschäftsberichten und Expansionsplänen. Anfang 2001 kamen die ersten Berichte über Scheingeschäfte, Bilanzierungstricks und finanzielle Schwierigkeiten in die Presse. Anlass war der versuchte Verkauf der Immobilientochter IBAG an eine Scheinfirma auf den Kaimaninseln, die durch Kredite der Bankgesellschaft finanziert werden sollte (In-Sich-Geschäft).

Im Februar nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, Anfang März trat Klaus-Rüdiger Landowsky, der als Architekt der Bankgesellschaft und als Graue Eminenz der Berliner CDU gilt, von seinem Posten als Vorstandschef der BerlinHyp zurück, später stellte er auch seine Posten in der Berliner CDU sowie im Abgeordnetenhaus zur Verfügung, da ihm unter anderem die Annahme von 20.000 DM, überreicht in bar von der AUBIS, vorgeworfen wurde. Mitte des Monats wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Vorgänge um die Bankgesellschaft und AUBIS beleuchten sollte.

Im weiteren setzten hektische Rettungsversuche ein, die aber zu nichts führten. Im Mai wurde klar, dass die Bankgesellschaft 2 Milliarden Euro benötigte, um ihre Geschäfte fortführen zu können. Zu diesem Zeitpunkt erfolgten kurz hintereinander Einbrüche in mehrere Gebäude der Bankgesellschaft, die Ermittlungsbehörden konnten aber keine Zusammenhänge feststellen.


Am 16. Juni 2001 wurde der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Die Amtsgeschäfte übernahm bis zu den Neuwahlen ein von der PDS geduldeter rot-grüner Übergangssenat unter Klaus Wowereit. In den folgenden Monaten kam nach und nach das Ausmaß der Gesetzesverstöße zum Vorschein. So wurden seit langem und systematisch Verluste über Netzwerke von Strohmännern verborgen, Risiken aus Geschäften wurden mit dubiosen Verträgen auf das Land Berlin abgewälzt. Für einen ausgewählten Personenkreis (vor allem Prominente, Mitglieder der Regierungsparteien CDU und SPD, Bankmanager sowie deren Bekanntenkreis) wurden Sonderfonds angeboten, deren Konditionen noch wesentlich besser als die der normalen Immobilienfonds waren. Weiterhin gab es hohe Abfindungen und Renten für die entlassenen Bankmanager sowie Verträge mit unangemessenen Mieten für bankeigene Villen, die von den Managern genutzt wurden. Auch die kostenlose Renovierung mehrerer dieser Villen kam ans Licht.

Zum 1. Dezember 2001 wurde mit Hans-Jörg Vetter ein neuer Vorstandsvorsitzender an die Spitze der Bankgesellschaft Berlin berufen. Vetter entwarf ein Sanierungsprogramm und rettete letztlich durch eine zweite, nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Beihilfe in Höhe von 1,1 Milliarden Euro aus dem Vermögen der Investitionsbank Berlin, die mit Wirkung vom 1. Januar 2004 aus der Landesbank Berlin abgespalten wurde, den Bankkonzern, der danach in Landesbank Berlin Holding umbenannt wurde und mit dem Verkauf der 81 % Anteile im Landesbesitz Berlins an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband im Juni 2007 für 5,3 Milliarden Euro endete.[2][3]

Zu Beginn des Jahres 2002 ermittelte die Staatsanwaltschaft in Dutzenden von Fällen. Im Grunewald wurde der EDV-Leiter von AUBIS tot aufgefunden, die Behörden gingen von Selbstmord aus.[4] Später wurde klar, dass der Mann mit dem Untersuchungsausschuss zusammengearbeitet hatte und dass die AUBIS Einsicht in die vertraulichen Protokolle der Sitzungen hatte. Im April beschloss das Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit der neuen SPD/PDS-Regierung, dass das Land Risiken aus dem Immobiliengeschäft in Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro übernimmt. Zeitgleich formierte sich eine Bürgerinitiative, die dieses Gesetz durch ein Volksbegehren zu Fall bringen wollte. Dieses wurde jedoch vom Berliner Senat für unzulässig erklärt und nach einer Klage der Bürgerinitiative vor dem Landesverfassungsgericht im Herbst 2005 endgültig nicht zugelassen.

Bis zum Frühjahr 2003 bemühte sich das Bankmanagement erfolglos um einen Verkauf der Gesellschaft, parallel dazu wurden Sanierungsmaßnahmen eingeleitet.


Finanzielle Auswirkungen für das Land Berlin

Die juristische Aufarbeitung des Bankenskandals läuft noch, aber das Land Berlin ist durch die Kapitalzuführung von 1,7 Milliarden Euro sowie durch die Übernahme von bis zu 21,6 Milliarden Euro an Immobilienrisiken mittlerweile finanziell stark belastet. Wie mit den angehäuften Kreditrisiken, die die zweite Ursache für die Schieflage der Bankgesellschaft waren, umzugehen ist, wird sich wohl im anstehenden Veräußerungsverfahren zeigen.

Die Konsequenz ist eine „extreme Haushaltsnotlage“, wie der Senat per Beschluss schon im November 2002 feststellte. Der Bund lehnte im April 2003 ab, dem Land Schuldenhilfe zu gewähren. Daraufhin reichte Berlin im Herbst Klage beim Bundesverfassungsgericht ein; in einer Erklärung des Senats heißt es, das Land erfülle die Kriterien, wie sie im Urteil zur Haushaltsnotlage der Länder Saarland und Bremen 1992 festgestellt wurden. Man erhoffte sich Hilfen zum Schuldenabbau in Höhe von 35 Milliarden Euro, jedoch wurde die Klage am 19. Oktober 2006 mit der Begründung, das Ausbleiben der Sanierungshilfe sei mit der Verfassung vereinbar, abgelehnt. Dem Urteil zufolge könne Berlin sein Finanzproblem aus eigener Kraft überwinden.


Rechtliche und parlamentarische Aufarbeitung

Im April 2006 klagte die Staatsanwaltschaft den früheren BGB-Chef Wolfgang Rupf, den ehemaligen Berlin-Hyp-Chef Klaus-Rüdiger Landowsky sowie acht weitere Verantwortliche an.[5][6][7] Der Vorwurf lautete auf Untreue, weil die Angeklagten nach den Ermittlungen zwei riskante Immobilienfonds LBB 12 und IBV-Deutschland1 mit 25-jährigen Garantien (so genannten Rund-um-sorglos-Garantien) für die Anleger versehen hätten und daraus dem Land Berlin ein Schaden von 55 Millionen Euro drohe. Die Angeklagten hätten - laut Staatsanwaltschaft - die Grundsätze kaufmännischer Geschäftsführung verletzt.

Neben strafrechtlich relevantem Fehlverhalten der Angeklagten werden aber auch die Umstände ihrer Berufung in die Leitung der betreffenden Kreditinstitute als ursächlich für den dem Steuerzahler entstandenen Schaden gesehen, der auf 60 Milliarden Euro beziffert wird. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International kritisiert im Falle des Berliner Bankenskandals Parteibuchwirtschaft und Ämterpatronage in der Vergabe von Stellen in von der öffentlichen Hand kontrollierten Unternehmen nicht nach Qualifikation, sondern nach Parteibuch an „Günstlinge“.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin legte Anfang Juni 2006 seinen Abschlussbericht[8] vor.

Am 21. März 2007 wurden Landowsky und vier weitere Manager der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG vom Landgericht Berlin zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten bzw. einem Jahr wegen Untreue bei der Vergabe von Millionenkrediten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, nachdem es durch das Bundesverfassungsgericht am 23. Juni 2010 aufgehoben und an das Landgericht Berlin zurückverwiesen worden ist.[9]

Ein weiteres Verfahren gegen Landowsky und andere wegen Untreue im Zusammenhang mit der Auflage von Immobilienfonds wurde am 22. Juni 2009 eröffnet.[10] Es endete am 14. Februar 2011 mit einem Freispruch.[11]



  1. LAG-Berlin 951027
  2. Bankgesellschaft Berlin AG: Geschäftsbericht 2003. S. 54f. und Geschäftsbericht 2004. S. 6
  3. Ulrich Zawatka-Gerlach: Milliarden verbrannt: Die Kosten belasten Berlin noch heute. In: Der Tagesspiegel. 10. Februar 2011
  4. Barbara Keller: „Da schmeckt die ganze Suppe nicht!“. Gerichtsbericht auf berlinkriminell.de. 3. August 2005
  5. Berlin kriminell, Barbara Keller: Noch mehr Bankenprozess - Steuerhinterziehung Komplex Neuling-Schoeps-Lauritzen
  6. Mathew D. Rose: Eine ehrenwerte Gesellschaft. Die Bankgesellschaft Berlin., Transit Buchverlag, Berlin, Juli 2003, ISBN 3-887471792
  7. Handelsblatt, Olaf Jahn, Mathew D. Rose, 22. August 2002: Unbequemer Sonderprüfer wird kalt gestellt
  8. Abschlussbericht des Abgeordnetenhauses von Berlin
  9. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 491/09 -
  10. Untreue-Anklage gegen Klaus Landowsky und elf Bank-Manager. Der Tagesspiegel (7. Juni 2009). Abgerufen am 29. Oktober 2009.
  11. Erläuterung und Kommentierung des Urteils.

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