Freitag, 24. August 2012

Die Vertrauensfragen an die Piraten

Öffentliche Vertreter der Piratenpartei werden häufig nach Einzelpositionen zu Themengebieten wie zB. der Wirtschaft befragt. Die Antwort ist stets: Da haben wir noch keine Entscheidung der Basis. 

Persönliche Meinungen und Vorahnungen schlussendlich gemeinsamer Positionen werden an dieser Stelle vermieden, da diese meist von einem Teil der Basis anschliessend zerrissen werden. Lange Zeit kamen die Piraten damit durch, in nur relativ wenigen Punkten ein fundiert ausgearbeitetes Programm zu haben. Angeblich - so zumindest die Medien - fordert die Bevölkerung nun langsam konkrete Stellungnahmen. Das "keine Ahnung, wir entwickeln an dieser Stelle erst eine fundierte Meinung" scheint zumindest bei den Medien nicht mehr für Sympathiepunkte zu genügen.

Leider werden durch die demonstrative Ahnungslosigkeit wichtige Chancen verspielt. Gerade die Fragen nach Positionen der Piraten, die aktuell nicht beantwortet werden können, beinhalten das Potential darauf hinzuweisen, wie Positionen bei den Piraten überhaupt entstehen - und wie sich die Piratenpartei von den anderen Parteien deutlich abhebt. Und das Wichtigste wird bereits jetzt vergessen: Der Bürger! 

  • Es ist ein Unding den aktuellen Vertretern der Piratenpartei von der Basis her keine eigene Meinung - und sei diese deutlich als solche gekennzeichnet - zuzumuten. Auch Abgeordnete der Piratenpartei sind nur ihrem Gewissen verpflichtet und können in ihrem Wahlverhalten gesetzlich nicht auf den Willen der Basis festgenagelt werden. Das bedeutet schlicht und einfach, dass die Abgeordneten sehr wohl, wenn sie einmal gewählt sind, entsprechend ihres Gewissens abstimmen - also eine eigene Meinung haben und auch durch Abstimmungen zum Ausdruck bringen. Das Wahlverhalten eines piratischen Abgeordneten wird sich nur dann zwangsläufig mit dem Willen der Basis decken, wenn es dem Gewissen des Abgeordneten entspricht, den Willen der Basis zu vertreten. Wiederspricht der Wille der Basis in Einzelpunkten dem Gewissen des piratischen Abgeordneten, so ist dieser angehalten seiner eigenen Meinung zu folgen.

    (Zukünftige) Abgeordnete der Piratenpartei sind demnach primär auf ihr Gewissen und das gewissenhafte Verständnis piratischer Basisdemokratie zu grillen. "Welche Entscheidungen der Basis würde Dein Gewissen nicht mehr mittragen können?"

    In Bezug auf Krieg hätte ich persönlich eine ganze Reihe von Entscheidungen, die ich klar befürworten oder ablehnen würde. Selbst wenn alle Piraten in einen Krieg ziehen wollen - ich würde dagegen stimmen!

    Aber auch die persönliche Meinung von sonstigen öffentlichen Vertretern der Piratenpartei ist wichtig - für die Piraten selbst und auch die Öffentlichkeit.
    Auch ganz normale Posten bei der Piratenpartei können Stimmung machen, inspirieren oder gar manipulieren. Natürlich hat jeder eine eigene Meinung und selbstverständlich wirkt diese auch auf die eine oder andere Weise auf die Piraten und somit piratische Politik. Es ist UNMÖGLICH Vertrauen zu jemandem aufzubauen, der mit seiner persönlichen Meinung hinterm Berg bleibt. Im Gegenteil, das schürt natürlich - und völlig berechtigt - Misstrauen. Es ist selbst- & fremdverar*** zu behaupten, die persönliche Meinung täte nichts zur Sache und käme politisch nicht zum Ausdruck.

    Dafür muss sich allerdings die Kultur der Basis ändern. Die Vertreter der Piraten müssen aufgefordert, ja geradezu ermuntert werden in den Medien auch ihre persönliche Meinung zum Ausdruck zu bringen - nur eben klar getrennt von öffentlichen oder eben fehlenden Positionen der Partei. Diese persönlichen Meinungen von Vertretern der Piraten müssen gewertschätzt - oder zumindest toleriert und möglichst sachlich diskutiert werden. Natürlich macht man sich verletzlich, wenn man sich positioniert. Aber genau das - eigentlich nur das - schafft letztendlich Vertrauen.

  • Eigentlich geht es garnicht "nur" darum, den Willen der piratischen Basis umzusetzen. In Wirklichkeit geht es darum den Willen der aufgeklärten mündigen Bürger zu repräsentieren, die zur Teilhabe aufgefordert sind und Mitglied in der Piratenpartei werden können. "Wir sind die mit den Fragen - und ihr (also die Bürger) seid die mit den Antworten!". Dazu müssen sich die partizipations-willigen Bürger mit ihren Ideen, wie gesellschafts-politische Probleme gelöst werden sollen, einem politischen und wissenschaftlichem Diskurs stellen. Es geht nicht darum, dass irgendwelche Mitglieder der Piratenpartei den Kurs der Partei bestimmen (auch wenn dies de facto der Fall ist). Es geht darum den Bürger aufzufordern mitzudenken! "Du hast DIE Lösung für die Wirtschaftskrise? Dann teile uns diese Idee mit oder werde gar Pirat! Bei uns gewinnt die beste Lösung für ein Problem - und nicht die lobbyistischen Interessen irgendwelcher Gruppen!"

    Es wurde vergessen den Ball abzugeben. Die Journalisten spielen so viele geniale Vorlagen zu und was machen die Vertreter der Piratenpartei? Sie spielen an sich selbst herum und behalten den Schwarzen Peter ohne diesen an die Zuschauer weiterzugeben, an die Wähler, die Bürger! Es ist nicht die Piratenpartei, die keine Ahnung hat, wie die Krisen gelöst werden sollen! Es ist die ganze Gesellschaft mitsamt den alteingesessenen Parteien, die keine Ahnung hat wie es weiter gehen soll ... die ganze Gesellschaft? Nein, eben nicht! Es gibt vereinzelt Menschen, die schon seit ihrer Jugend mit einer Lösung herumlaufen - es gibt zahllose Vereine und Netzwerke, die sich wirklich für soziale Lösungen engagieren - es ist gut möglich, dass man einfach mal einem Kind zuhören sollte, wie dieses ein Problem lösen würde. Es ist NICHT die Aufgabe der Piratenpartei - sozusagen als Dienstleister für die Gesellschaft - Lösungen zu entwickeln. Die Aufgabe der Piratenpartei ist es den Bürgern (der "Crowd") zuzuhören und aus der Fülle an Lösungsvorschlägen durch einen wissenschaftlichen Prozess die besten herauszukristallisieren und regelrecht zur Wahl zu stellen!

    "Sie glauben vielleicht, dass wir als Piraten in diesem Fall keine Ahnung haben - vielleicht haben Sie sogar recht. Aber unter ihren Zuschauern, den Millionen da draussen vor der Glotze sitzen auch einige wirkliche Experten. Oder vielleicht kennen Sie ja auch nur einen, der wiederum einen kennt, der DIE Lösung hat. Genau die z.B. Wirtschafts-Experten laden wir ein. Die Lösungen werden dann gemeinsam analysiert und recht schnell kristallisieren sich die besten heraus!"

  • Vertrauen:

    "Sie fragen mich nach unserer XXX Position im Parteiprogramm? Meinen Sie mit Parteiprogramm das Papier, wo mich morgen nicht mehr zu interessieren braucht, was ich heute verspreche? Gut, dann kann ich Ihnen ja - wie alle anderen Parteien - jetzt das blaue vom Himmel erzählen ..."
  • Der große Unterschied zwischen der Piratenpartei und den anderen Parteien ist ja, dass die gesamte Partei hinter den getroffenen Entscheidungen steht - und nicht nur einzelne, womöglich gut geschmierte, Deligierte. 
  • Die Piratenpartei braucht länger als andere Parteien für ihre Entscheidungsfindungen, da ja auch möglichst alle Parteimitglieder durch den Wissens- & Willensbildungsprozess hindurch sollen. Wir wollen wissen wovon wir sprechen und verstehen wofür wir uns entscheiden - schliesslich wollen wir ja auch nicht am Bürger vorbei, sondern regelrecht mit dem Bürger regieren.
  • Dafür sind die Positionen der Piratenpartei nachvollziehbar, fundiert und durchdacht -  nicht so beliebig austauschbar, wie bei den handelsüblichen Parteien.
  • In der heutigen schnellebigen Zeit muss jede politische Entscheidung neu geprüft und analysiert werden. Heutzutage genügen keine Standard-Floskeln mehr, die Jahre oder gar Jahrzehnte gepredigt werden können. Die Piratenpartei hat keine Ideologie, an der sie sich orientieren könnte - wie die meisten anderen Parteien, die mittlerweile feststellen dürfen, dass ihre alten Ideologien nicht mehr funktionieren. Die Piraten analysieren stets für jeden Fall neu und dank wissenschaftlicher Vorgehensweise frei von festgefahrenen Denk- & Handlungsweisen, um die besten Lösungen (die auch wirklich allen dienen) zur Wahl zu stellen.
  • Okay, bei den Piraten dauert es länger bis möglichst alle Mitglieder durch den politischen Bildungsprozess hindurch sind - aber dafür können wir unsere Meinung auch nicht so schnell ändern, was einen Wahlbetrug und gebrochene Wahlversprecher praktisch ausschliesst.

  • Fragen Sie mich doch bitte nach dem nächsten Parteitag am XXX. Es ist doch logisch, dass wir vor diesem keine öffentliche Stellungnahme der Partei weitergeben können. Im Unterschied zu anderen Parteien werden Sie dato eine Reihe fundierter und gut ausgearbeiteter Lösungs-Vorschläge für unsere politischen Krisen erhalten.

Die bisherigen Antworten auf die "Fragen der Ahnungslosigkeit" schüren eher das Misstrauen in die Piratenpartei. Das liegt auch daran, dass Vertretern der Piratenpartei bzgl. der eigenen persönlichen Meinung geradezu der Mund verboten wird. Die deutlich gekennzeichnete eigene Meinung ermöglicht zumindest Profil und Vertrauen gegenüber dem jeweiligen einzelnen Piraten.

Dies soll jedoch nicht davon abhalten weiterhin völlig ehrlich auf vorhandene Wissenslücken hinzudeuten - und viel mehr: bei dieser GELEGENHEIT die wirklichen Vorteile der Piratenpartei heraus zu stellen.

Denn, was nützt ein Parteiprogramm, dem Sie nicht trauen können?

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