Donnerstag, 9. August 2012

Extremismus in der Piratenpartei

"Warum die Piratenpartei nicht gegen Extremismus jeder Art ist" - ein, wie ich finde lesenswerter Artikel, der mich zum Umkehrschluss reizt: Warum die Piratenpartei für Extremismus der besonderen Art ist ;-)

Zumindest soll das Grundgesetz Einzug in das Grundsatzprogramm der Piratenpartei finden. Das verdanken wir der Initiative "'Abgrenzung zu Extremismus als Grundlage für Parteiprogramm in Präambel aufnehmen'"*.

Ich weiss nicht, wie es bei einem Parteiprogramm ist, aber bei einer Vereins- oder Stiftungssatzung ist - soviel ich weiss - die Präambel rechtlich nicht bindend.

Schauen wir uns die Wahlversprechen in Periode an ... nein, ein Parteiprogramm ist sicherlich nicht rechtlich bindend - sonst würden wir aus dem Knast heraus regiert werden ;-)

Aber schauen wir uns die Initiative genauer an:

Zunächst distanziert sich die Initiative von dem Begriff "Extremismus". Dies kann bei LiquidFeedback leider nicht mehr aus der Überschrift gelöscht werden. Ich finde den Artikel wie gesagt gar nicht so schlecht, auf den sich dabei bezogen wird - ausser, man würde damit linke Gewalt legitimieren. Da bin ich leider zu pazifistisch und tue mir schwer das - von welcher Seite auch immer - zu tolerieren.


"Es wird beantragt im Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland in der Präambel (nach dem vierten Absatz) folgenden Absatz einzufügen:
 
Das vorliegende Programm der Piratenpartei formuliert die Ziele der Piratenpartei.
Diese Ziele basieren auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, der Rechtsstaatlichkeit und einer freiheitlich geprägten Gesellschaftsordnung, die auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist. Das schließt die Ablehnung totalitärer, diktatorischer und faschistischer Bestrebungen jedweder Art sowie die Distanzierung gegenüber Rassismus, Nationalsozialismus und Geschichtsrevisionismus ein.
Niemand ist aufgrund von Staatsangehörigkeit, Stand, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Glaubensausrichtung, Geschlecht, sexueller Identität und Orientierung, physischer oder psychologischer Beeinträchtigung sowie von Tatsachen, die nicht selbst beeinflusst werden können, von unserer Gesellschaft auszugrenzen."

Verstehe ich das richtig? Wir dürfen also alle diejenigen ausgrenzen und vielleicht ja sogar diskriminieren, die ihre "Beeinträchtigung oder sonstige Tatsachen" selbst beeinflussen können? Ja klasse, denn Deine Nase gefällt mir nicht und Du könntest Dir die Operation sparen, wenn ich das mal eben verbal gerade biege :-)

Besonders viele "psychologische Beeinträchtigungen" könnte man behaupten, seien eigentlich "selbst beeinflussbar". So ein angstzerfressener Fachist z.B. oder sonstige autoritäre Persönlichkeiten, die sich besonders dann groß und stark fühlen, wenn sie andere unterbuttern und beschimpfen können.

Wenn die sich nicht von selbst oder dank meinen Interventionen entsprechend ändern, dann grenzen wir die halt aus und lassen die einfach nicht mitspielen - nicht von meinem Tellerchen Essen - nicht an der Gesellschaft und ihren Sozialleistungen teilhaben. Das wird DIE natürlich ändern und DAS Problem ist somit gelöst, wenn nicht gar ausgehungert.

Sorry, aber die jetzige Formulierung der Initiative öffnet Tür und Tor für Ausgrenzung, Gewalt und Faschismus. Alles, was man nicht haben will - und bei sich selbst nicht zu sehen bereit ist.


Worum geht es hier eigentlich?

Auf Nachfrage erhalte ich folgende Antwort: "Gemeinschaftswidriges Verhalten kann man sanktionieren. Dafür haben wir das Strafgesetzbuch und die Nebengesetze." Jetzt macht es "klick" bei mir. Die Initiative traut sich nicht wirklich zu sagen, dass es um Sanktionen gehen soll ... und die werden dann unglücklicher Weise in einen Satz gepackt, der Ausgrenzung ausschliessen soll ... wahrscheinlich, weil man bemerkt, dass sich das widersprechen könnte - irgendwie zusammen gehört. Man will ja mit allen einen "Kuschelkurs" - ausser der Frieden wird gestört und regelrecht angegriffen. Das ist doch völlig legitim. Das begreife sogar ich als pazifistisch orientierter Mensch. Gerade Pazifisten kommen in ein widersprüchliches Dilemma, wenn diese (zB. körperlich) angegriffen werden. Es geht um eine Form der Notwehr, Zivilcourage!!

Es würde helfen genauer zu formulieren, was genau diese Angriffe sein können - herunter zu brechen auf z.B. (subtile kommunikative) Gewalt - anstelle "nur" eine Distanzierung zu "totalitären, diktatorischen und faschistischen Bestrebungen". Es wird nicht ganz klar, ob ein Diktator im Anflug bekämpft werden soll - oder ganz "einfache" Situationen im Alltag. Auch eine Lösung wird nicht mitgeliefert, wie man damit auf gesellschaftspolitischer oder persönlicher Ebene umgehen soll - ausser: Ausschluss aus der Gesellschaft. Das (alleine!) kann es jedoch nicht sein. Das ist zu einfach und zu eindimensional gedacht!

Die Gefahr ist natürlich, wenn man herunter bricht und sich z.B. gegen Beleidigungen, verbale Verletzungen ausspricht - dass man auch am eigenen Verhalten arbeiten müsste ... 

Dann ist DAS Problem nicht mehr so einfach von sich zu weisen und anderen in die Schuhe zu schieben. Für mich persönlich beginnt Faschismus da, wo wir verletzend werden - nicht nur körperlich oder gar mit Waffengewalt - sondern bereits subtil in der Kommunikation miteinander. 

Immer, wenn wir die Augenhöhe verlieren, soll jemand untergeordnet werden - während meist alle versuchen sich überzuordnen. Dann geht es nicht mehr um Selbstbestimmung - sondern Fremdbestimmung gegen den Willen des Einzelnen. Das funktioniert nie, höchstens als Gewalt!!

Mein Vorschlag ist, die Sanktionen genau zu beschreiben und auch die grundlegenden menschlichen Phänomene, denen begegnet werden soll. Ebenso ist zu trennen zwischen der zwischenmenschlichen - kommunikativen und der gesellschafts-politischen Ebene. Ich habe dies versucht in einen ergänzenden Initiativ-Antrag zu fassen: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/4147.html
Edit: Mein Antrag fand nicht genügend Zuspruch!

 

* = Initiativen aus dem sog. "Liquid Feedback" stellen nicht die Meinung der Piratenpartei dar - sondern nur der einzelnen Antragsteller und deren jeweiligen Befürworter.

Photo: Benjamin Thorn  / pixelio.de
http://pir.at/extremismus

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