Sonntag, 28. Oktober 2012

Frieden als Motivation der Transparenz?

Immanuel Kant
Ich persönlich würde mich freuen, wenn ich die eigentlich naheliegende Ableitung unserer Gesetze für Frieden und gegen Krieg - von der UN über die EU bis in den jeweiligen Nationalstaat - für die Transparenz heranziehen könnte. Es kämen sicherlich wunderschön zu lesende und populär wirkungsvolle Pamphlete heraus. 

Aber was sind unsere Gesetze für Frieden schon wert, wenn diese nach dem Wiedereinstieg der Deutschen in das Kriegstreiben nachträglich angepasst werden können bzw. trotz Verbot von Angriffskriegen ebensolche durchgeführt werden?? An dieser Stelle könnte die gesamte Politik und - schlimmer noch - der gesamte Rechtsstaat seine Legitimation verlieren oder gar verloren haben. Von daher macht es sicherlich Sinn, sich auch mal philosophisch mit den friedvollen Möglichkeiten der Transparenz auseinander zu setzen und nach rechtlichen Legitimationen dieser zu suchen. Aber man sollte dann nicht enttäuscht sein, wenn besonders das Recht hier gebeugt und gebogen wird, bis sich die Balken brechen.

Wenigstens kann man Kant - oder wie man das heutzutage macht - Sekundärliteratur zitieren, wenn man sich mit der Kinderstube der Transparenz auseinandersetzt ;-)

"Immanuel Kant verknüpfte das Prinzip der Transparenz untrennbar mit Rechtmäßigkeit und Legitimität einer Regierung. In seiner Schrift "Vom ewigen Frieden" (1795) überlegt er, unter welchen Umständen Staaten keinen Krieg mehr gegeneinander führen würden. Die Publizität spielt bei ihm dabei die Hauptrolle: Nur wenn Regierungen ihre Politik transparent und öffentlich machen, ist Frieden möglich. Wenn die Interessen der Regierungen mit denen der Regierten übereinstimmen, sei Krieg nicht mehr möglich. Die "transzendentale Formel des öffentlichen Rechts" beschreibt er folgendermaßen: "Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht." Mit Publizität könne "alles Misstrauen" entfernt werden. Eine Konsequenz daraus ist, dass es keine geheimen Nebenabreden zu internationalen Verträgen geben darf, damit die Bürger alles jederzeit kontrollieren können." (bpb)

Auch als philosophische Rechtfertigung für Wikileaks gibt man sich schonmal den Kant. Nicht uninteressant, wie ich finde, denn gerade Wikileaks hält ja die Informationen über die Mitarbeiter - ausser Frontmann Assange - geheim. Gerade Wikileaks erkennt ja das besondere Schutzbedürfnis von bestimmten Informationen an - auch wenn dies ab und an daneben ging. So sehr auch Whistleblowing unterstützenswert ist - so sollte dies zugleich besondere Schutzbedürfnisse gewisser Informationen rechtfertigen. Ein Teufelskreis? Eher ein Hinweis zur klaren Differenzierung!! Zumindest beweist sich mal wieder, daß Wissen und Informationen bzw. diese zu publizieren oder eben nicht - Macht ist.

So enttäuscht ich auch von der Politik und unserem Rechtsstaat in puncto Friedens-Gesetzen bin, eine Anbindung an die Hohen Ziele, die sich im Philosophieren tummeln, möchte ich persönlich nicht verlieren.

Transparenz konterkariert das, was in der klassischen Politik der Moderne als Aufklärung definiert wurde: Wenn Immanuel Kant formulierte, dass Aufklärung der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit sei, dann lässt sich aus der Metapher der Aufklärung ein ganzes Zeitalter entfalten, einschließlich der Losung »sapere aude!« und schwerwiegender Probleme der reinen und praktischen Vernunft, Fragen der Erkenntnis und der Moral. Der gesamte Aufstieg und Niedergang des Bürgertums lässt sich daraus herleiten. »Beantwortung der Frage: Was ist Transparenz?« könnte der Titel einer philosophischen Persiflage auf Casting-Show-Niveau lauten. Die Frage lässt sich nur noch redundant und idiotisch beantworten: Transparenz ist Transparenz. Punkt. Kein Erkenntnisproblem, keine Frage der Moral, keine Bestimmung der Vernunft wird davon auch nur annähernd gestreift. Die Klarheit und den Durchblick, welche die Transparenz wo auch immer – politisch, ökonomisch, sozial, privat usw. – verspricht, sind nie mehr als eben einfach Klarheit und Durchblick. Je stärker und energischer Transparenz zur politischen Forderung wird, desto weniger zielt diese Forderung auf mehr und weiteres als einfach nur ein bisschen Akteneinsicht und Informationsfluss. (jungle-world)

Erkenntnistheorie von Immanuel Kant
Tatsächlich reduziert die Forderung nach Transparenz als politisches Verfahren weitaus größere Dimensionen an Möglichkeiten und Chancen auf nackte Daten. Erst, wenn wir diese geforderten Daten haben, werden wir wohl bemerken, wie wichtig die Qualität und die Quellen sind. Erst dann werden wir die neuen alten Fragen erkennen, welche diese aufwerfen.

"Für den Erkenntnistheoretiker ist anders als im Alltag nicht das einzelne anzweifelbare Faktum interessant, sondern die Überlegung, mit der an einem ganzen Bereich von Wissensbeständen gezweifelt werden kann." (Wikipedia)

„Es käme mir lächerlich vor, die Existenz Napoleons bezweifeln zu wollen; aber wenn Einer die Existenz der Erde vor 150 Jahren bezweifelte, wäre ich vielleicht eher bereit aufzuhorchen, denn nun bezweifelt er unser gesamtes System der Evidenz. Es kommt mir vor, als sei das System sicherer als eine Sicherheit in ihm. (Wittgenstein)

Von den zentralen Fragen, mit denen sich Kant beschäftigte, sind vor allem die Fragen der Erkenntnistheorie im Kontext der Transparenz von Bedeutung:
  1. Was kann ich wissen? – In seiner Erkenntnistheorie
  2. Was soll ich tun? – In seiner Ethik
  3. Was darf ich hoffen? – In seiner Religionsphilosophie
  4. Was ist der Mensch? – In seiner Anthropologie

Einführung: Metaphysik
Aufklärung 

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