Sonntag, 11. November 2012

"Innere" und "Äussere Kommunikation" sowie "Transparenz"

Inneres ist mit Äußerem nicht nur erfahrungsmäßig verbunden, sondern auch logisch. […] Wer eine Seele hat, muß des Schmerzes, der Freude, des Kummers
etc., etc. fähig sein. 

Und soll er dazu auch fähig sein zu erinnern, Entschlüsse zu fassen, sich etwas vorzunehmen, so braucht er den sprachlichen Ausdruck.

Ludwig Wittgenstein, Das Innere und das Äußere



ORGANisationen jeglicher Art sollten als lebendiges organisches Wesen betrachtet und behandelt werden. Schliesslich sind Organisationen und auch das "System" ist die Summe der jeweiligen MENSCHEN und nicht nur die abstrakte Idee von ebensolchen.

Verliert man diesen Blick und behandelt man Organisationen rein funktional / technokratisch, dann bereitet man auch gleichzeitig der Unmenschlichkeit den Boden.

Natürlich ist nicht jede Organisation, die rein funktional geführt und organisiert wird, gleich ein Massenmörder. Aber totalitäre Systeme, die auch vor Mord nicht halt machen, sind durch und durch darauf aufgebaut, Menschlichkeit bereits in Strukturen und Abläufen zu verhindern.  

Strukturen und Abläufe (Workflow) von Projekten wirken in ihrer Art zwangsläufig auf das Lebensgefühl und die Zwischenmenschlichkeit. In fast jeder Einrichtung der "öffentlichen Hand" spürt man das Übermaß an Struktur und Bürokratie zulasten der Mitmenschlichkeit bereits beim Betreten des Gebäudes.

Neben dem Ambiente / der "Atmosphäre", z.B. dem Licht, sind die Art und der Fluß der Kommunikation sowie deren Kommunikations-Kanäle die wichtigsten Faktoren für das Wohlempfinden am Arbeitsplatz.

An dieser Stelle picke ich das Thema "Innere Kommunikation" und "Äussere Kommunikation" (Öffentlichkeitsarbeit) aus dem Gesamtkontext der Organisation von Unternehmungen (speziell "Corporate Communication"), um diese aus dem Blickwinkel der "Transparenz" genauer zu beleuchten. 

Jedes Projekt hat zwangsläufig eine "Innere" und eine "Äussere Kommunikation", da eine NICHT-Kommunikation unmöglich ist. (Paul Watzlawick) und nicht jede z.B. Absprache gleich von Aussen wahrgenommen werden kann.


Innere Kommunikation

Gerd Altmann / pixelio.de
Die "Innere Kommunikation" entspricht im übertragenen Sinn der Gedankenwelt eines Menschen, seinem Standpunkt und seinen Einstellungen. Hier würde eigentlich niemand auf die Idee kommen, dies alles transparent machen zu wollen - erst recht nicht zwangsläufig!

In der Unternehmenskommunikation teilt sich die "Innere Kommunikation" in "Formelle" und "Informelle Kommunikation". 


Die "Informelle Kommunikation" entspricht dem "Flurfunk", den Gesprächen in den Pausen, der nonverbalen Kommunikation usw. - alles Kommunikation, die lange als ineffektiv abgelehnt und möglichst unterbunden wurde. Mittlerweile wissen wir, wie wichtig diese Kommunikation auch für Effektivität und möglichst reibungslosen Ablauf ist ("Human-Relations-Bewegung"). Die "Informelle Kommunikation" ist nicht unbedingt das Primärziel von "Transparenz". 

Im Gegenteil: Menschen verändern sich, wenn diese (permanent) gefilmt / aufgezeichnet oder sonstwie überwacht werden - und das nicht unbedingt nur positiv. Von einer "Big-Brother - Transparenz", wie ich diese nenne, ist abzusehen. Damit es in einer transparenten Organisation auch menschlich zugeht, müssen Räume der Intransparenz geschaffen werden, denn die informelle Kommunikation kann sich unter permanenter Beobachtung nicht frei entfalten!! Sie wird sich permanent formell orientieren, nur schwer soziale Beziehungen aufbauen und soziale Interaktionen zulassen, die für die Effektivität und Nutzbarkeit informeller Kommunikation vonnöten sind.

"Der Stuhlkreis sei ein Rückzugsort, um dem »Transparenzterror« zu entkommen, sagt ein Pirat. Denn in den öffentlichen Fraktionssitzungen würden einige aus Angst vor Gesichtsverlust nicht offen sprechen wollen." (ZEIT online)


Die "Formelle Kommunikation" ist dabei einerseits an rechtliche Vorgaben gebunden - andererseits entspricht diese der Organisation und den Abläufen selbst in Form von Rundschreiben, Aushängen, Protokollen, E-Mails, Gesprächsnotizen, ... etc.

"Um Transparenz sicherzustellen, müssen Methodenbeschreibungen dem Prinzip der „Replizierbarkeit“ folgen: sämtliche Kriterien der exakten Wiederholbarkeit müssen offen gelegt werden." (EMNID
Das bedeutet, dass sich - vor allem gesetzlich forderbare - Transparenz nur auf "Formelle", klar definierbare "Kommunikation" beziehen kann, wenn diese replizierbar anwendbar und in klarer Methodik vorliegen soll.


Innere Kommunikation und Innere Transparenz

Gerd Altmann / pixelio.de
Ob es sich nun um ein Modell mit "Maximaler Innerer Transparenz" handelt, oder nicht - Transparenz alleine genügt nicht für eine Innere Kommunikation. 

Diese bedarf klarer Kommunikationskanäle und Abläufe. Schliesslich ist die Aufgabe der "Inneren Kommunikation" die Organisation - und dafür kann eine "Innere Transparenz" ein gutes Mittel sein, das gleichzeitig einer Gleichberechtigung an Information entspricht. 

Aber was bringt ein Maximum an (Innerer) Transparenz, wenn die (Innere) Kommunikation nicht funktioniert? Genau; NICHTS!!

Man stelle sich einen Raum vor, in dem alle gleichzeitig sprechen - alle vorhandenen Informationen gleichzeitig auf einen niederschlagen. In einem solchen Raum ist keine Kommunikation, keine Ordnung und keine Organisation möglich. Damit (Innere oder Äussere) Transparenz überhaupt etwas bringt, müssen die Inhalte in klar definierten Kanälen fliessen

Auch wenn Hierarchie abgelehnt wird, empfiehlt sich für die formalen Abläufe eine Orientierung am "Einliniensystem", wo "untergeordnete" Stellen einen klaren "übergeordneten" Bezugspunkt haben. Dies geht auch weitgehend hierarchiefrei - es muss nur sichergestellt werden, dass es:

a) Klare Abläufe gibt (Workflow; 1 - 23 - 4)
b) zumindest situativ klare Verantwortlichkeiten
c) klare Orte, wo die Informationen für jeden Ablauf und Arbeitsauftrag zu finden, wie zu verarbeiten und wo abzulegen bzw. weiter zu reichen sind. 


Streng genommen gibt es keine Innere Transparenz und Innere Kommunikation, wenn auch diese absolut "gläsern" und somit auch nach "Aussen" transparent ist.

Folgende Faktoren sprechen dafür die "Innere Kommunikation" und "Innere Transparenz" von der "Äusseren Kommunikation und Transparenz" zumindest stellenweise zu trennen und somit auch zu schützen:

  • Rechtlich: Eine fehlende Trennung zwischen "Innerer" und "Äusserer Kommunikation / Transparenz" macht es unmöglich (daten-)schutzrechtliche Inhalte zu filtern. Eine Organisation, die zum Mitmachen einlädt und mit Ehrenamtlichen wirkt, aber keine geschützte Innere Kommunikation ermöglicht, ist rechtlich zumindest bedenklich. Ob und inwieweit z.B. offene Mailinglisten situativ gegen den Datenschutz verstossen, könnte einfach überprüft werden. Besser, das überprüfen die Piraten umgehend selbst... Aber konkrete Verstöße sind ja nicht alles. Mitmachen ist in einer solchen Organisation nur möglich, wenn man sich freiwillig einer absoluten Überwachung durch die Öffentlichkeit hingibt.
  • Überwachung: Fehlen intransparente und informelle "Räume" muss die "Innere Kommunikation" sich den Vorwurf einer totalen Überwachung gefallen lassen und sollte zusätzlich unter diesem Aspekt bewertet werden. Wie bei der Überwachung des Arbeitsplatzes ist die Einschätzung einer freiwilligen Überwachung / Transparenz sehr fragwürdig. Siehe auch Foucault, z.B. 1 - 2 - 3 - 4 -
  • Funktional: Einzelne Funktionen der "Inneren Kommunikation", wie das Entscheiden über Inhalte, ob diese öffentlich gemacht werden - oder nicht - sind unmöglich. Dies betrifft vor allem Strategien und die Öffentlichkeitsarbeit selbst. Dabei könnten diese Inhalte dennoch ~> zum richtigen Zeitpunkt transparent gemacht werden! Siehe auch ~> "Dysfunktionale Transparenz" bzw. ~> "Funktionale Intransparenz"
  • Informell: Informelle, also persönliche und private Kommunikation sowie soziale Beziehungen sind zumindest erschwert möglich und unter Dauerbeobachtung. (siehe auch "Hawthorne-Effekt" und "Human-Relations-Bewegung")
  • Biochemisch: Um in einem wissenschaftlichen Versuch "Stress" auszulösen, ist es eine gängige Methode, Aufgaben unter Beobachtung ausführen zu lassen. Beobachtung löst Stress aus und kann bis auf die Gene wirken. Der durch Beobachtung ausgelöste Stress wurde besonders im Kontext der Geburtsbegleitung untersucht. "Durch permanente Beobachtung wird ausschliesslich die Kaiserschnitt- und Zangengeburtenrate drastisch gesteigert" ("Lancet" 1987 - mit Forschungsergebnissen aus Australien, Europa und den USA).
  • Verhalten: Bereits einfache und imaginierte Beobachtung (Bild von Augen) löst Verhaltensveränderungen aus - intensive Forschungen stehen wohl noch bis heute aus.

Transparenz im "Inneren Kreis":
In diesem Kreis wird im Prinzip entschieden, was (wann und wie) transparent gemacht wird. Hier herrscht im Idealfall eine "Maximale Innere Transparenz", damit die Innere Kommunikation (zwecks Organisation!) gleichberechtigt und möglichst offen funktioniert!
Daher ist dieser Kreis nicht prinzipiell nach AUSSEN transparent.

Hinzu kommt, dass es Elemente gibt, die von Natur aus "gläsern" sind und andere, die für Transparenz erst aufgezeichnet oder aufbereitet werden müssen. Die Entscheidungen, was prinzipiell "gläsern transparent" zu sein hat und was "selektiv transparent" gemacht wird, trifft das operative Management.


Äussere Kommunikation (Öffentlichkeitsarbeit)

Normaler Weise zählt die Transparenz zu einer der Aufgaben der "Äusseren Kommunikation" und somit zur Öffentlichkeitsarbeit - schliesslich geht es um die Informationen, die nach "Aussen" dringen und von Aussen wahrgenommen werden sollen. Besonders die Informationen, die aufbereitet und multimedial produziert werden müssen, sollen die "Identität" bzw. das Image ("Corporate Identity") des Projektes darstellen. Image und Identität können sehr wohl eine Zielvorstellung sein, also auch Abweichungen von der aktuellen Realität aufweisen. Fehlt die Trennung von "Innerer" und "Äusserer Kommunikation / Transparenz", dann gehen die nackten Rohdaten in das Image und die Identität über. Ein bewusstes Formen von einem Selbstbild ist damit erschwert bis unmöglich.

Die "Äussere Kommunikation" will Transparenz und benötigt daher keine expliziten ~> "Funktional Intransparenten" Räume, denn diese stellt üblicher Weise die "Innere Kommunikation" zur Verfügung. 


Konfliktmanagement (Innerer emotionaler Kreis)

Konflikte können nicht wirklich tiefgreifend und nachhaltig gelöst werden, wenn dies transparent - also unter den Augen der Öffentlichkeit - geschehen soll. Konfliktlösung muss primär persönlich und vertraulich stattfinden. Ergebnisse aus Konflikten, wie diese gelöst und was gelernt wurde, können von den Beteiligten im Anschluss in dem Maße transparent gemacht werden, wie die Beteiligten dazu bereit sind.

Erreicht ein Konflikt das "Operative Management" oder die Öffentlichkeit und somit das Management, kann sich dieses zu einer öffentlichen Stellungnahme regelrecht genötigt fühlen - sollte aber auch hierbei die Vertraulichkeit "Innerer", "Äusserer" und "innerster emotionaler" Kommunikation wahren. Daher sind solche Äusserungen in der Regel extrem sachlich und distanziert.

Auf das "Krisenmanagement" als solches bin ich bereits in einem sehr ausführlichen Artikel eingegangen.


Dies Schaubild zeigt das "Operative Management", welches vom "Inneren emotionalen Kreis" (des Konfliktmanagements) getrennt ist, damit die Konflikte nicht die handlungsfähigkeit des Managements beeinträchtigen (da Konflikte nicht im Hierarchie- & Transparenzmodell des operativen Managements gelöst werden können). 

Insgesamt sind es drei Kreise, in die sich ein Management aufteilt. Die äusseren beiden Kreise dienen rein dem "Operativen Management", also vom Einkauf des Klopapiers über die Entscheidung welche Kugelschreiber wie bedruckt werden bis zur gesamten Unternehmenskommunikation, die sich in "Innere" und "Äussere Kommunikation" aufteilt.


Fazit:
  • Die "Gedankenwelt" eines Projektes ist schützenswert - auch in Form "informeller Kommunikation" zwischenmenschlicher Interaktion.
  • Die Trennung von "Innerer" und "Äusserer Kommunikation / Transparenz" hat auch die Aufgabe (daten)schutzrechtliche Inhalte überhaupt filtern zu können.
  • Der "Innerste emotionale Kreis" kann nur persönlich und vertraulich funktionieren. Transparenz an dieser Stelle vergeht sich an Privat- / Intimsphäre / Datenschutz und nutzt meist "Transparenz als Waffe".


http://pir.at/informelleintransparenz

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