Sonntag, 2. September 2012

Kultur statt Ideologie

Eine neue Kultur
- anstelle einer neuen Ideologie?

 
Gerd Altmann / pixelio.de
"Die Gesellschaft hat Angst vom neuen Medium beherrscht zu werden, statt es als Instrument beherrscht einzusetzen." 

Roger de Weck in einem Gespräch mit Dirk Baecker bei "Sternstunde Philosophie" im Schweizer Fernsehen

  
Gehen wir davon aus, dass unser aktuelles "Computerzeitalter" eine mindest genauso große Evolution ist, wie die dominierenden Kulturtechniken der vergangenen vier Millionen Jahre - Sprache (Tribale Gesellschaft / Stammesgesellschaft), Schrift (Antike Gesellschaft) und Buchdruck (moderne Gesellschaft) - dann befinden wir uns in einer neuen Kultur-Epoche. 

Diese Sichtweise von vier großen Kultur-Epochen geht davon aus, dass jedes dieser Zeitalter ein dominierendes Kommunikations- und Verbreitungsmedium innehatte, welches jeweils das vorherige Zeitalter "überforderte". Jedes dieser neuen Medien stellt zunächst ein Problem für die vormalige Gesellschaft dar, weshalb die Gesellschaft zunächst ablehnend reagiert. Diese These des "Kulturpessimismus" wird von den Soziologen dem "Ökonomismus" gegenübergestellt, der sich über jedes neue Medium aufgrund von Rationalisierung und Profitmaximierung freut. 

Nur, wenn ein gesellschaftlicher, kommunikativer Umgang mit der großen Reichweite dieser Medien gefunden wird, findet eine wirkliche Adaption und Integration der damit verbundenen Möglichkeiten statt.

"Platon schaut nach Ägypten und befürchtet die Bürokratisierung der griechischen Polis und das Erkalten der menschlichen Kommunikation, wenn man beginnt, sich auf die Schrift und damit eine mechanische Gedächtnisstütze zu verlassen. Das Gegenteil war der Fall. Die Griechen erfanden in der Auseinandersetzung mit der Schrift die Philosophie, und die frühe Neuzeit erfand in der Auseinandersetzung mit dem Buchdruck die Welt der Gefühle."

Selbst Kant befürchte negative Auswirkungen des Buchdrucks, denn viele Leser würden das Gelesene unreflektiert herausposaunen. Kant frage sich in seinem Aufsatz "Was ist eigentlich Aufklärung", ob es sinnvoll sei, dass nur Gelehrte lesen dürften und Meinung nur geäussert werden dürfe, wenn ein zweiter Gelehrter zum Kritisieren anwesend sei. 

Als eine Folge von Schrift, dem Buchdruck, der folgenden Bücherflut und noch mehr unfundierten Meinungsäusserungen entwickelte sich die Kulturtechnik der Kritik. Im darauf folgenden Zeitalter des Computers übersteigert sich die Kritik - obwohl diese der Informationsflut nicht mehr, wie im Buchdruck, alleine gerecht werden kann. Während Kritik als Kulturtechnik das Duellieren ablöste drohen wir im aktuellen Zeitalter in sogenannten "Shitstorms" zu ertrinken.

Die Neuen Medien konfrontieren uns mit unglaublich vielen Einzelpunkten, die uns vor allem in ihrer Fülle geradezu überfordern. Wir erahnen erst, dass die globalen und lokalen Probleme der Menschheit mit Hilfe des Internets leichter gelöst werden könnten - und gleichzeitig beginnen wir die bislang unermesslichen Risiken zu erfassen, denen wir durch das Internet ausgesetzt sind. 






Unabhängig davon, ob die Neuen Medien eine Kulturrevolution einläuten oder nicht - die Piratenpartei ist die einzige Partei, die sich dem Potential sowie den Gefahren authentisch stellt. Alle anderen Parteien haben den Zug lange verschlafen und sind sozusagen am Nachrüsten. Natürlich sind auch in den anderen Parteien Personen, die sich im Internet heimisch fühlen - aber parteipolitisch entsteht meist ein dilettantischer Eindruck.

Wir wissen mittlerweile alle, dass die atomare Ebene absolut vernetzt ist und ein Elektron mit der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Fussballfeldes praktisch alle andere Elektronen beeinflussen kann. Das atomare Bild absoluter Vernetzung im Mikrokosmos kommt nun dank der Computernetzwerke auf unseren Schreibtisch und wir bemerken potentiell auch mit jedem Menschen verbunden zu sein. Zu Ende gedacht liegt hier zumindest das Potential aller Menschen sich zu begegnen, zu verständigen oder gar verstehen, sich zu einigen und eine globale Gemeinschaft zu bilden, die in Frieden den Planeten und seine Ressourcen teilt. Gleichzeitig liegt bereits in den 140 Zeichen, die einem bei Twitter pro Nachricht zur Verfügung stehen, das Potential, dass sich Menschen missverstehen und geradezu kriegerisch entzweihen.

"Gewiß, zwei Völker und zwei Sprachen werden einander nie sich so verständlich und so intim mitteilen können wie zwei einzelne, die derselben Nation und Sprache angehören. Aber das ist kein Grund, auf Verständigung und Mitteilung zu verzichten. Auch zwischen Volks- und Sprachgenossen stehen Schranken, die eine volle Mitteilung und ein volles gegenseitiges Vertrauen verhindern, Schranken der Bildung, der Erziehung, der Begabung, der Individualität. Man kann behaupten, jeder Mensch auf Erden könne grundsätzlich mit jedem andern sich aussprechen, und man kann behaupten, es gebe überhaupt keine zwei Menschen in der Welt, zwischen denen eine echte, lückenlose, intime Mitteilung und Verständigung möglich sei - eins ist so wahr wie das andre."

- Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel


Bild: Gerd Altmann / pixelio.de


http://ins-pirat.blogspot.de/2012/09/freiheit-von-piratischer-ideologie.html
http://ins-pirat.blogspot.de/2012/09/kultur-statt-ideologie.html
http://ins-pirat.blogspot.de/2012/09/die-kulturepoche-der-piratenpartei.html

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